
YouTube hat ohne Rücksprache mit den Erstellern subtile Änderungen an einem Teil der im Dienst veröffentlichten Filme vorgenommen. Es geht nicht um Filter oder bewusste Effekte, sondern um vom System auferlegte Anpassungen. Die Ersteller haben festgestellt, dass ihre Inhalte begonnen haben, „seltsam künstlich“ auszusehen, was ernsthafte Fragen zum Vertrauen in die Authentizität von Videos im Internet aufwirft.
Rick Beato und die ersten Verdachtsmomente
Rick Beato, einer der bekanntesten Musik-YouTuber mit über fünf Millionen Abonnenten, bemerkte als erster, dass etwas nicht stimmte. – „Ich dachte, meine Haare sehen komisch aus, als hätte ich Make-up“ – erinnert er sich. Bei näherer Betrachtung fiel ihm die unnatürlich geglättete Haut, schärfere Kleidung und verzerrte Ohren auf. Die Veränderungen waren subtil, aber eindeutig vorhanden.
Rhett Shull: „Das sieht aus wie KI”
Ähnliche Erfahrungen hatte Rhett Shull, ein anderer Musikschaffender. In seinen Filmen traten dieselben Artefakte auf, die er als Effekt von KI beschrieb. – „Wenn ich die Schärfe übertreiben wollte, würde ich es selbst tun. In diesem Fall sieht es aus wie von künstlicher Intelligenz generierter Inhalt. Das untergräbt die Authentizität meiner Arbeit” – betont er. Sein Video über das Problem haben bereits über eine halbe Million Menschen angesehen.
YouTube bestätigt das Experiment
Die ersten Kommentare der Nutzer dazu tauchten bereits im Juni im Netz auf. Nach monatelangen Spekulationen gab YouTube zu, dass es eine neue Funktion in Shorts testet – automatisches Rauschentfernen, Schärfen und Verbessern der Bildqualität. Wie Rene Ritchie von YouTube erklärt, handelt es sich um ein „Experiment mit traditionellem maschinellem Lernen, ähnlich dem, was Smartphones beim Aufnehmen von Videos tun”.
Fehlende Auswahl und wachsende Bedenken der Experten
Der Unterschied besteht darin, dass der Benutzer bei einem Telefon selbst entscheidet, ob er solche Funktionen nutzen möchte. Auf YouTube haben die Creator keine Wahl – die Plattform führt Änderungen von oben herab ein. Samuel Wooley, ein Forscher für Desinformation, warnt, dass dies eine Manipulation von Inhalten ohne das Wissen der Autoren ist. Experten weisen darauf hin, dass YouTube versucht, „maschinelles Lernen“ von generativem KI zu unterscheiden, aber das ist nur ein Spiel mit Worten – in beiden Fällen handelt es sich um das Eingreifen eines Algorithmus in die Realität.
Das ist nicht das erste Mal, dass Technologie die Authentizität des Bildes in Frage stellt. Samsung wurde bereits früher beim künstlichen Verbessern von Mondfotos erwischt, und Google Pixel bietet die Funktion „Best Take“, die das perfekte Bild von Gesichtern aus verschiedenen Fotos erstellt. Der neueste Pixel 10 ermöglicht auch einen 100x Zoom, den die Kamera tatsächlich nicht ausführen kann. Laut Kritikern ist das ein weiterer Schritt in eine Welt, in der es immer schwieriger wird, reale Bilder von denen zu unterscheiden, die von KI generiert wurden.
Schöpfer gespalten
Obwohl viele Youtuber Alarm schlagen, versuchen einige – wie Rick Beato – die Sache ruhiger anzugehen. – „YouTube hat mein Leben verändert. Dass sie mit neuen Werkzeugen experimentieren, überrascht mich nicht. Es ist ein Unternehmen, das immer voranschreitet“ – fasst er zusammen. Das Problem bleibt jedoch bestehen: Was passiert mit unserem Vertrauen in die Realität, wenn nicht die Schöpfer, sondern Algorithmen entscheiden, wie die Welt auf dem Bildschirm aussieht?